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Verliebt in Ruinen: Warum Sylts Schmuddelecken eigentlich ganz charmant sind

Sylt ist wie eine glamouröse Diva: Meistens trägt sie das kleine Schwarze (oder das große Reetdach) und nippt am Champagner. Aber manchmal, wenn man genau hinschaut, sieht man sie auch ungeschminkt in Jogginghose. Und wisst ihr was? Genau dann lieben wir sie am meisten. Unsere Tour zu den „Lost Places“ der Insel hat gezeigt, dass es zwischen Kampen und Hörnum nicht immer perfekt zugehen muss, um das Herz zu berühren.

Waschbeton-Romantik in Hörnum

Fangen wir im Süden an. Wer braucht schon moderne Architekturpreise, wenn er echten 70er-Jahre-Chic haben kann? Der alte Anglershop in Hörnum ist so eine Perle. Er steht da mit seiner Waschbeton-Fassade wie ein stolzer Teenager, der sich weigert, die Mode seiner Eltern abzulegen. Es ist der architektonische Beweis dafür, dass früher vielleicht nicht alles besser, aber definitiv grauer war. Trotzdem: Wenn man davorsteht, möchte man das Gebäude fast in den Arm nehmen und ihm sagen: „Du bist okay, so wie du bist.“

Die „Grand Dame“ mit Bad-Hair-Day: Haus Inge

Dann wäre da noch das „Haus Inge“ in Rantum. Seit 1818 steht die alte Hütte im Wind und sieht mittlerweile ehrlich gesagt aus, als hätte sie eine sehr wilde Party hinter sich, die etwa zwei Jahrhunderte gedauert hat. Es zieht durch die Ritzen, der Putz bröckelt – es ist der klassische „Shabby Chic“, nur ohne „Chic“. Aber mal ehrlich: Wir alle drücken diesem Haus die Daumen, dass es noch die Kurve kriegt. Denn Sylt ohne seine schrulligen Alten wäre doch nur halb so schön.

Westerland: Baustellen als Lebensgefühl

In Westerland haben wir gelernt: Eine Baustelle ist kein Zustand, sondern eine Lebenseinstellung. Das „Haus auf Stoke“ am Bahnhof plant seinen Umbau jetzt schon so lange, dass die Absperrzäune bald unter Denkmalschutz gestellt werden müssten. Man munkelt, der unterirdische Priel sei schuld – oder vielleicht haben die Maulwürfe dort unten einfach eine starke Gewerkschaft.

Aber es gibt Hoffnung! Am alten Sylt-Stadion wird tatsächlich gebuddelt. Dort entsteht der neue Multipark. Endlich weicht der Dornröschenschlaf dem Skater-Lärm. Das zeigt uns: Auch wenn Sylt manchmal etwas länger braucht (wir nennen es „norddeutsche Gründlichkeit“), wird am Ende doch alles gut.

Ein Herz für die Unperfekten

Unsere Reise bis hoch nach List hat eines gezeigt: Es sind nicht immer die Hochglanz-Fassaden, die uns berühren. Es sind die Orte mit Kratzern, Dellen und Geschichte. Die Jugendherberge Möwenberg zum Beispiel erzählt von Klassenfahrten, Heimweh und erster Liebe im Stockbett. Das kann kein 5-Sterne-Hotel ersetzen.

Also, liebe Sylt-Fans: Wenn ihr das nächste Mal an einem vernagelten Fenster oder einer ewigen Baustelle vorbeikommt, ärgert euch nicht. Lächelt einfach und denkt daran: Das sind die Ecken und Kanten, die unsere Insel erst so richtig liebenswert machen. Perfekt kann jeder – Sylt kann Charakter.

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