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Die Kampener Seekühe an Weihnachten 2022

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Die Kampener Seekühe

Die Weihnachtszeit ist eine Zeit der Besinnlichkeit und Melancholie. Viele werden sich daran erinnern, wie es früher war, als sie klein waren und aufgeregt auf die Bescherung gewartet haben. Meine erste Erinnerung an ein Weihnachtsgeschenk war die, dass mein Großvater auf eben jenes getreten ist. Big Jim war es, die Actionversion der Barbiepuppe. Er schimpfte mit mir, weil ich diese einfach so zwischen all dem Geschenkpapier liegen lassen habe. Nach dem Essen saß er immer in seinem Ledersessel und wir mussten der Marschmusik lauschen, die er auf dem Schallplattenspieler abspielte. 

Das nächste Geschenk, an das ich mich erinnere, war mein erster Kassettenrekorder. Nebst Abba Kassette. Diese wurde dann schon bald in ein AC/DC Tape eingetauscht. Es war die Art von Kassettenrekorder, die mit Batterien funktionierten. Wenn sie schwächer wurden, fingen die Songs an zu leiern. Was war dein erstes Geschenk?

Doch die Weihnachtsfeiertage auf Geschenke reduzieren, ist natürlich völlig falsch. Es sind die Tage im Jahr, in der man mit der Familie ein paar schöne Tage verbringen sollte. Und diese Tage bleiben ein Leben lang. In meinem Fall ist Weihnachten auch immer ein Fest der kleinen Katastrophen gewesen. Das Schöne überwiegt natürlich. Im Gegensatz zu anderen Familien gab es bei uns nie Streit am Heiligabend. 

Weihnachten in den 70er Jahren auf Sylt hatte eine andere Gewichtung als es sie heute hat. Es ging nicht darum, auf Teufel komm raus die Ferienwohnungen vollzukloppen und der Gastronomie fette Kassen zu bescheren. War auch egal, denn die meisten hatten ohnehin geschlossen. Zweitwohnungsbesitzer gab es kaum. Man war unter sich. 

Lange, einsame Spaziergänge am Strand oder durch den Wald gegenüber der heutigen Vogelkoje. Wie mir erzählt wurde, hat man mich als dreijährigen für einen Winterspaziergang angezogen. Schicht um Schicht, denn es war saukalt. Als ich endlich fertig war, schnappte mich mein stolzer Papa und ging mit mir an den Strand. Sofort lief ich zum Wasser und rannte hinein. Also wieder ab nach Hause. So kann man die langweiligen Weihnachts-Strandspaziergänge auch umgehen. Heute würde ich alles geben, damit ich diese Momente mit meinem vor einem Jahrzehnt verstorbenen Vater noch einmal erleben dürfte. So oft sind wir Richtung List gefahren, denn dort lag die Blidselbucht mit ihren Seekühen. Eigentlich waren die Kühe im Watt wohl nicht so wichtig wie die Tatsache, dass Klein-Alex sich im Winter nicht in irgendwelche Nordseewellen schmeißen kann. Das Watt ist ja bekanntermaßen flach. 

Seekühe

Die Seekühe stehen zwischen Kampen und List, seitdem ich denken kann. Von 1935 bis 1945 von der Luftwaffe genutzt, um Übungsschießen darauf zu veranstalten. Offensichtlich waren die Flieger nicht sonderlich erfolgreich, denn die Seekühe stehen beinahe immer noch so da, wie sie vor fast einem Menschenleben gebaut worden sind. Das gleiche Szenario gab es in List, wo Jagdflieger ihre Angriffe auf den Ellenbogen flogen. Dort stehen rot-weisse Dreiecke auf Pfosten. Ein paar mal in der Woche wurde dieser Bereich gesperrt, die Schranke für den Zufahrtsweg geschlossen und dann stürzten sich die Piloten auf die Stangen. Die Treffsicherheit ließ auch hier zu wünschen übrig. 

Die Dreieck-Pfosten stehen immer noch da. Aber sie dienten nicht nur dazu, den Fliegern Einträge ins Trefferbuch zu bringen, sondern waren auch eine großartige Form um das Taschengeld der Sylter Kids aufzubessern. Denn die Übungsmunition explodierte natürlich nicht, sondern bohrte sich in die Lister Dünen. Schon während des Schießens sammelten sich an der Schranke die jungen Friesen und warteten trippelnd darauf, dass sich die Holzsperre öffnete. Dann wurde um die Wette gesprintet und geradelt. Wer zuerst an den Pfeilern war, der hatte die größte Chance, die Übungsgranaten zu finden. 

Und für diese gab es gutes Geld. Für eine Granate gab es umgerechnet drei saure Gurken oder einen Schokoriegel. Ein kleiner Schatz in der Nachkriegszeit. Heute fahren die meisten in List an den seit 1992 nicht mehr benutzten Ersatzzielen vorbei und wissen nicht, wozu diese gut waren. Die Seekühe sollte ihr lieber nicht besuchen gehen. Wenn dann mit Führer. Aber ich schweife ab…

Es ging ja um Weihnachten. Meine letzte Weihnacht der Jugendzeit auf Sylt wurde beinahe traditionell mit einem Strandspaziergang “gekrönt”. Meine Mutter und ich fanden einen Baumstamm. Perfekt für den Ofen zuhause. Leider war er zu schwer, um ihn den ganzen Weg vom Strand nach Hause zu schleppen.So ließen wir ihn irgendwann liegen. Er dürfte immer noch im Friedrichshain liegen. Es war eine schöne Zeit und sie lebt Jahr für Jahr auf. In den vergilbten Familienfotoalben. Und wenn ich heute Nachmittag am festlich gedeckten Kaffeetisch bei Muttern sitze und “weißt Du noch”kommt, wird garantiert eines dieser Alben herausgeholt. 

Und das Weihnachtsessen? Ein tradionelles Sylter Weihnachtsessen gibt es nicht. Die einen essen Gans, die anderen Kartoffelsalat mit Würstchen oder Karpfen. Das liegt aber auch daran, dass Sylt ein Schmelztiegel ist. In den letzten 75 Jahren gab es auf Sylt so viele neue Einwohner, die aus der ganzen Welt kommen, dass die Tische mit vielen verschiedenen Leckereien gedeckt sein dürften.                

Ich wünsche euch allen ein schönes Weihnachtsfest. Wir sehen uns bei den Seekühen.

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