Zwischen Familienbesitz und Millionenwert: Das Dilemma der Sylter Erben
Die Sylter werden oft selbst für die Wohnungsnot verantwortlich gemacht. Sobald das Thema Wohnen auf der Insel zur Sprache kommt, fällt schnell das pauschale Urteil: Alles nur wegen der Gier nach Geld. Doch die Wahrheit sieht anders aus.
Am Sonntag schien wohl das letzte Mal die Sonne, bevor ab Montag das typische Wetter von Nordfriesland zurückkehrte. Ein perfekter Moment für eine kurze Radtour. Doch nach ein paar hundert Metern blieb ich bei einem Schild stehen.
„Hausmännerflohmarkt“ – ähnlich wie der Hausfrauenflohmarkt in Westerland, aber in kleinerem Umfang und privat organisiert. Der Flohmarktliebhaber in mir war geweckt, also blieb ich stehen.
In einer Garage wurden Gegenstände angeboten, die das Leben einer ganzen Familie widerspiegeln. Es sind die Erinnerungsstücke der Eltern von Olaf Geisendorf und seinen Brüdern. Olaf, 57 Jahre alt, wohnt in Leck, während seine Brüder mittlerweile außerhalb von Nordfriesland leben.
Nachdem der Vater vor sieben Jahren und die Mutter im vergangenen Jahr verstorben sind, stand die Familie vor wichtigen Entscheidungen: Was sollte mit dem Elternhaus geschehen? Dieses Problem trifft viele in der Generation der Babyboomer, die nun vor ähnlichen Fragen stehen.
Es ist ein schmerzhafter Prozess, denn obwohl es am Ende auch um Geld geht, steht etwas Tieferes auf dem Spiel – der Verlust des Familienbesitzes. Wie vielen Syltern in diesem Alter bleibt auch Olaf und seinen Brüdern nur die Option, das Haus zu verkaufen. So sehr sie es auch gerne behalten würden – finanziell ist es einfach nicht machbar. Während die Brüder längst ihren Lebensmittelpunkt woanders gefunden haben, kann Olaf, der durch einen schweren Motorradunfall behindert ist, die Instandhaltungen nicht übernehmen. Dazu kommt, dass er nicht in der Lage ist, seine Brüder auszuzahlen. Die strengen Erbgesetze und die Komplexität von Erbengemeinschaften verschärfen die Lage zusätzlich.
Das Haus und das Grundstück werden auf etwa 2,5 Millionen Euro geschätzt. Olaf würde das Haus gerne an Sylter verkaufen, doch der Preis ist für Einheimische kaum erschwinglich. Die langfristige Vermietung an Dauermieter kommt für ihn nicht infrage, da die schlechten Erfahrungen der Eltern ihn davon abhalten.
Das Besondere an der Immobilie ist die Erlaubnis, Ferienwohnungen im Haus zu vermieten, was es für Investoren besonders interessant macht. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der zukünftige Käufer einen erheblichen Gewinn daraus ziehen wird. Bis es so weit ist, veranstaltet Olaf jedoch seinen Hausmännerflohmarkt.
Diese Geschichte berührt – und sie ist nur eine von vielen, die ähnlich erzählt werden könnten, nicht nur auf Sylt, sondern auch auf Föhr und Amrum.
Diese „Flucht von der Insel“ wird durch lokale Mietverbote für Insulaner noch beschleunigt, was dazu führt, dass es bald kaum noch alte Sylter Familien geben wird. Auch wenn dieser Fall etwas anders gelagert ist, zeigt sich doch ein bekanntes Muster.
Währenddessen klingelt vermutlich irgendwo in Hamburg das Telefon eines Notars: „Da gibt es ein Haus auf Sylt, provisionsfrei, mit Vermietungsrecht – für nur 2,5 Millionen…“
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