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Sylter Wirtschaftskapitäne & Sonnenkönige Teil 2: Dr. Beyschlag

Dr. Beyschlag – Wohltäter und Macher – Teil 2 (Teil1 hier) unserer Wirtschaftskapitäne beschäftigt sich mit jemandem, der in den Sylter Chroniken kaum Aufmerksamkeit erhält, obwohl er einmal der größte Arbeitgeber am Ort war und für viele Menschen nach dem Krieg der Anker in der Not war. Die Rede ist von Dr. Bernhard Beyschlag. Leider gibt es kein frei verfügbares Fotomaterial.
Der im Jahr 1900 geborene Unternehmer gründete mit 31 Jahren sein Unternehmen in Berlin-Steglitz. Drei Jahre später verlegte er seinen Firmensitz nach Potsdam. Die Produktion von Wickelkondensatoren und Widerständen sowie Pressteile aus Bakelit für die Elektroindustrie war in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg natürlich gefragt. Bis zu 40 Mitarbeiter arbeiteten für den studierten Maschinenbauer und Physiker.
Ende 1944 brach die Ostfront zusammen und er musste seinen Firmensitz aufgeben. Doch er war ein Macher und 1946 begann er in Hitzacker in Niedersachsen erneut mit der Produktion von Widerständen. Dass er dann ausgerechnet auf Sylt landete, ist für viele Menschen ein Glückstreffer gewesen. Denn in Hitzacker gab es keine Möglichkeit, die Produktion zu erweitern. Selbst im naheliegenden Salzgitter oder Nienburg gab es keine für ihn sinnvoll erscheinende Option.
Was also tun? Er erinnerte sich an die Insel, auf der er schon so manch schönen Urlaub verbrachte. Ausgerechnet in List, wo nach dem Krieg in der alten Möwenberg Kaserne Flüchtlinge untergebracht waren. Und genau dort sollte er ebenfalls seine neue Heimat finden. Denn durch den Krieg hatte sich die Einwohnerzahl der nördlichsten Stadt mehr alsverdoppelt.
Waren es nach dem Umzug 1948 nach List wenige Mitarbeiter, vervielfachte sich die Zahl binnen kürzester Zeit. 1953 schritten bereits 250 Mitarbeiter durch das Werkstor. Zu viele für das Gelände und eine Frage der Zeit, bis diese Mitarbeiterzahl sich verdoppeln würde. Denn das Gechäft mit den Widerständen blühte. Die Nachkriegszeit war eine Boomzeit – Rundfunkgeräte waren essentiell und die Qualität der Beyschlag Produkte überzeugten die Radiohersteller deutschlandweit.
1955 war es dann soweit. Die Firma zog samt ihrer fast 400 Mitarbeiter nach Westerland. Für List ein Fiasko, denn mit Beyschlag verlor der Ort seinen größten Arbeitgeber. Die neue Heimat Beyschlags wurde das Areal südlich des Friedrichshains in der Haderslebener Straße. Das Firmengelände und auch das soziale Engagement Beyschlags war vorbildlich. Die Häuser rund um das Firmengelände waren zum Teil im Eigentum der Firma. Beyschlag gab seinen Mitarbeitern Kredite,um diese zu erwerben. In der Betriebskantine wurde Gemüse aus der eigenen Gärtnerei serviert. Auf dem Firmengelände gab es einen kleinen Weiher und viele Grünflächen. Meiner Erinnerung nach, dürfte das alles den Firmen im Silicon Valley geähnelt haben.
1964 wurde die Firma verkauft. Dr. Beyschlag blieb aber im Vorstand und die mittlerweile 660 Beschäftigten gehörten somit der weltweit größten Spezialfabrik für Kohle- Schichtwiderstände an. Doch jede Ära endet irgendwann. Die der Firma Dr. Beyschlag Apparatebau GmbH auf Sylt war Anfang der 70er Jahre Geschichte. 1971 beschloss die Firmenleitung die Verlegung der gesamten Produktion nach Heide.
Dort war bereits Mitte der 60er Jahre ein Standort gebaut worden. Für Westerland und die Haderslebener Straße hatte der Wegzug einschneidende Konsequenzen. Mehr als 1000 Einwohner der Insel siedelten sich in und um Heide an. Die Gewerbesteuer, die 37% der von Sylter Untenehmen bezahlten Steuern ausmachte, ging verloren und letztendlich auch der größte Arbeitgeber der Insel. Doch es blieben auch viele der ehemaligen Mitarbeiter auf Sylt. Denn mittlerweile hatten sie Eigentum oder wollten verständlicherweise nicht von der Insel ziehen.
Anfang der 70er Jahre war für die Sylter Politik ohnehin eine schwierige Zeit. Das Atlantis Projekt scheiterte, obwohl der Bauantrag von der Gemeinderatssitzung in Westerland freigegeben wurde.Interessant in diesem Zusammenhang die Gründe, warum Beyschlag von der Insel geht: Laut Eigenaussage war es der Firma unter anderem nicht möglich Fachkräfte nach Sylt zu locken.Der Grund ist gestern wie heute aktuell. Es gab keine Wohnungen.
In der Haderslebener Straße blieb ein ausgeschlachteter Firmenkomplex zurück. Die leeren Produktionshallen wirkten wie eine Geisterstadt. Bewacht von einem Pförtner, der Tag und Nacht seine Runden drehte. 1980 entstanden Ferienhäuser auf dem Areal. Von der Geisterstadt zur Trabantenstadt. Zu diesem Zeitpunkt ein Schritt in die falsche Richtung, die Sylt dann in den nächsten Jahren generell gehen sollte. Der unsanfte Tourismus war in vollem Gange.
Wäre es nicht besser gewesen, zumindest ein paar Häuser für Sylter zurückzuhalten?
Dr. Beyschlag zog sich Ende der 60er zurück
Dr. Beyschlag zog sich Ende der 60er Jahre langsam aus dem operativen Geschäft seiner Firma zurück und spendierte den Keitumern ein Meeresschwimmbad. Dieses ging dann in den Besitz der Gemeinde Sylt-Ost über. Was in den Folgejahren mit dem Schwimmbad und dem Grundstück passierte, ist ja hinreichend bekannt. Dr. Beyschlag starb 1980 und liegt in Keitum begraben. Von seinem Wirken in Westerland ist nichts geblieben.
Die Sache mit der Rose…
Auch meine Familie arbeitete lange für Dr. Beyschlag und ist ihm zu Dank verpflichtet. Mein Großvater züchtete in der Haderslebener Rosen und schaffte es mit seinen Sylter Rosen sogar in die örtliche Zeitung. Die Großeltern hatten ihr Grundstück ebenfalls durch Beyschlag finanziert.

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