Westerland
Sylter Wirtschaftskapitäne Teil 4: Öger Akgün

Öger Akgün – eine Erfolgsgeschichte – Bevor ich zur eigentlichen Story komme, eine kurze Anekdote, nur um gedanklich mal rechts ran zu fahren. Vor ein paar Jahren war das Skateboarden – im speziellen das Longboarding – ein riesiger Hype. Es wurden Millionen Euro verdient. Dies geschieht – man kann die Uhr danach stellen- etwa alle 10 Jahre, bevor die ganze Branche wieder zusammenbricht. Warum dies so ist, hat einer meiner Kollegen vom Concrete Wave Magazin aus Kanada mit einfachen Worten lapidar erklärt.
Michael Brooke sagte: “Fällt dir nicht auf, dass all diese Leute (Marken, Händler und Distributoren) weder studiert haben, noch irgendeinen kaufmännischen oder sozialpolitischen Hintergrund haben? Wie können diese Personen einen solch riesigen Markt nachhaltig gestalten? Es geht immer nur um den schnellen Dollar. Die, die es clever machen, sind die Leute von außerhalb der Szene. Sie machen ihren Profit und verschwinden dann wieder. Zurück bleibt eine geschröpfte Branche, mit Leuten an der Spitze, die nicht fähig sind, Visionen zu entwickeln, die zukunftsträchtig sind.”
Cut. Was das mit Sylt zu tun hat? Ersetze Szene und Branche durch das Wort Insel.
Der Porsche Cayenne wird gerne als das Standardfahrzeug der Insel bezeichnet. Oftmals fahren die Luxuskarossen mit NF Kennzeichen durch die Innenstadt. Besucher fragen sich, woher haben die Sylter so viel Geld? Erfolgreiche Unternehmer? Der Schein trügt, denn in vielen Fällen ist das Vermögen vererbt. Kaum ein Grundstück auf der Insel, das nicht das Drei- oder Vierfache vom Festlandswert hat. Nach dem Erben wird es meist verkauft.. Sei ihnen gegönnt. Doch leider geht mit viel Geld auch eine Menge Macht einher. Und diese ist oftmals in den falschen Händen. Das ist das, was mir Michael mitteilen wollte.
Doch es gibt auch Menschen auf Sylt, die es mit klugem Handeln, Weitsicht und Fleiß zu etwas gebracht haben. Jürgen Gosch, Herbert Seckler oder auch Öger Akgün. Allesamt sind quasi Prototypen des “ Vom Tellerwäsche zum Millionär”. Fangen wir aber mit dem jüngsten Vertreter dieses Trios an: Öger Akgün.

Öger Akgün – Eine Erfolgsstory auf Sylt
Seine Geschichte beginnt 1974. Geboren wurde er in Tomarza, einer Stadt mit 40.000 Einwohnern, geographisch ziemlich genau in der Mitte der Türkei. Mit drei Jahren zog der zusammen mit seiner Mutter Esehatun, zwei Schwestern und zwei Brüdern von Zentralanatolien nach Sylt. Der Vater war schon ein paar Jahre im Land und verdiente gutes Geld im Baugewerbe.
Auf der Insel war der Ausländeranteil in den 70/80er Jahren sehr gering. Der Empfang auf der Insel war entsprechend herzlich und als einziger Türke auf dem Sylter Gymnasium war er so etwas wie ein Exot. Da weder Mutter noch Vater sonderlich gut Deutsch sprachen, traf er sich während der Schulzeit auf der Insel viel mit Freunden, unterhielt sich auf Deutsch und wuchs so zweisprachig auf.
Interessant wird sein Werdegang nach der Schule. Statt zu studieren, entschied sich Öger für eine klassische Ausbildung. Die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage ist die Einstiegsstufe in Lehrberufe wesentlich kleiner geworden. Fahrzeuglackierer zu lernen, war damals nicht ganz abwegig. Doch natürlich hätte Öger auch gerne studiert. Eine zusätzliche Wohnung und Studiengelder aufzubringen, das war den Eltern leider nicht möglich. Sie mussten an allen Ecken und Enden sparen. Am Ende war die Entscheidung für die Ausbildung richtig.
Der Gründer von McDonalds Ray Croc hat einmal sein Erfolgsrezept verraten. “Du kannst talentiert sein, du kannst reich sein oder auch eine tolle Geschäftsidee haben. Das alles nützt Dir nichts. Die Zauberformel für den Erfolg ist Beharrlichkeit”
Öger Akgün – erfolgreich mit keiner wirklich neuen Geschäftsidee
Das und eine große Portion Leidenschaft dürfte in Öger Akgüns Fall der Hauptgrund für das sein, was folgte. 1995, mit 21 Jahren und dem Gesellenbrief in der Tasche, begann er eine simple Geschäftsidee umzusetzen: Autos waschen. Denn jedesmal wenn Autos in seinen Lehrbetrieb kamen, war dies der erste Arbeitsschritt – und als Azubi wurde er natürlich dazu verdonnert. Doch was heißt verdonnert? Es brachte ihm mächtig Spaß, die Fahrzeuge auf Hochglanz zu bringen, bevor die Lackierarbeiten durchgeführt wurden.
So startete er also sein Business. Dass man “dem Türken” sein 100.000 Mark teures Auto anvertraute, bedurfte anfänglich Überzeugungsarbeit. Die Gäste kamen nicht von der Insel und hatten Ressentiments gegenüber Ausländern. „Nachher kommt der nicht wieder“
Doch die Beharrlichkeit sollte sich auszahlen. In Form von Stammkunden und einem Bankkonto, das sich dank der Sparsamkeit außerordentlich gut entwickelte. Niemand war bisher auf die Idee gekommen Luxusautos zu waschen. Das öffnete ihm ein Monopol, das er bis heute nicht aus der Hand gegeben hat.
Die Arbeitsweise und die Zuverlässigkeit verschafften Öger Akgün einen guten Leumund und Kooperationen mit nahezu allen großen Sylter Firmen. Die Kontakte verschaffte ihm der Sylter Reeder Sven Paulsen, der von dem Jungen und seiner pragmatischen Denkweise begeistert war.
Aber Erfolg hat auch seine Schattenseiten. Dass Sparsamkeit und ein gut gefülltes Bankkonto sich nicht sonderlich mit dem Finanzamt vertragen, wurde dem umtriebigen Unternehmer schnell klar. Am Ende kommt die Steuer und frisst das ganze hart verdiente Geld wieder auf. Zeit zu investieren. In eine Gebäudereinigung, eine Autovermietung oder in Häuser. Der alte Wasserturm in Niebüll ist eine der verrückteren Ideen. Es ist eines der lustigsten Hotels Deutschlands. Öger Akgün selbst konnte noch keine Nacht darin verbringen, da es permanent ausgebucht ist.
40 Firmen – ist so etwas machbar?
Man munkelt von 40 Firmen, in denen er beteiligt ist oder als Inhaber geführt wird. All diese Unternehmungen führt er mit großem Engagement, einem geregelten 16 Stunden Tag und ein wenig Glück. Ab und an funktioniert anfänglich etwas nicht, doch am Ende führt er es dann in die richtigen Bahnen.
Und den wohl größten Coup hat er vor kurzem gelandet: Strandkörbe vermieten, herstellen und pflegen. Was die wenigsten wissen: Nur ein Teil der Strandkörbe steht am Sylter Strand. Eine nicht unbedeutende Masse an Körben steht auf privatem Grund. Das Säubern und Aufstellen übernimmt er mit seiner Firma. Mit der Herstellung eigener Körbe geht er nun den nächsten Schritt. Denn die Gäste sind verrückt nach den Strandkörben – made in Nordfriesland.
Soziales Engagement
Der mittlerweile stolze Vater von zwei Töchtern und seine Frau Ayse sind zur Sylter Musterfamilie geworden. Auch weil Öger Akgün von Anfang an die Weigerung aussprach, ein türkisches Leben auf der Insel zu leben. Das nicht Eingliedern in die Gesellschaft und den damit verbundenen Verlust der Freiheit, wie es viele seiner Landsleute bevorzugen – diesen Weg wollte er nicht gehen. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Nicht nur auf der moralischen Seite. Er selbst setzt mittlerweile auch gesellschaftliche Ausrufezeichen. Eine klare Stellungnahme gegen Erdogan etwa oder sein finanzielles Engagement in vielen sozialen Einrichtungen. Er kämpft für den Erhalt der Strukturen auf der Insel. Unter anderem mit “Merret reichts” oder der eigenen Initiative “Für ein besseres Sylt”. All das erfolgreich in einen Tag herein zu pressen, wirkt nicht machbar. Er selbst ist zwar kreativ tätig – doch er kann nicht gleichzeitig alles selbst leiten. Sein letztes Auto hat er nach eigener Aussage vor Jahren gewaschen. So hat er ein ausgewähltes Team an motivierten Mitarbeitern, denen er vertrauensvoll das Management überlässt. Damit schafft er sich die nötige Zeit, um auch woanders tätig zu werden.
Nikolas Häckel ist noch fünf Jahre im Amt, wenn er nicht wieder für den Posten des Bürgermeisters kandidiert. Dann ist Öger Akgün 53. Bis dahin kann er noch etliche von den Porsche Cayenne waschen lassen. Und dann vielleicht der Inselpolitik ein wenig Nachhilfe darin geben, dass gelebter Kapitalismus und Humanismus durchaus Hand in Hand gehen können.
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