Schatten auf den Stufen – Ein Requiem für die Leuchtturmschule in Hörnum

Hörnum. Es war einmal ein Klassenzimmer in den Wolken. Heute steigen Besucher die enge Spindel der Wendeltreppe hinauf, den Blick erwartungsvoll auf das Panorama gerichtet, das sie in dreißig Metern Höhe erwartet. Sie kommen für die Aussicht, für das Selfie über der Brandung. Doch wer innehat, wer zwischen dem Keuchen des Aufstiegs und dem Staunen über die Weite kurz die Augen schließt, der kann sie vielleicht noch hören: die Schritte der Kinder von einst, die hier nicht die Freizeit suchten, sondern das Leben lernten.

Die Schule ist fort. Der Raum, in dem einst das Wissen mit dem Meeresrauschen um die Wette tönte, ist heute ein stilles Museum, ein konservierter Moment in Bernstein. Wo heute Touristenführer auf den Horizont deuten, regierte einst Lehrer Levi mit jenem strengen, aber fürsorglichen Blick, der nötig war, um eine Schar von Wildfängen im Zaum zu halten. Es waren die Merten-Brüder – Hans, Walter und Hindenburg –, der Leuchtturmwärtersohn Hans Jacobsen und die Kinder der Wehrmachtsbediensteten, die diesen Turm mit Leben füllten. Für sie war der schwindelerregende Aufstieg kein Urlaubserlebnis, sondern der tägliche Gang zur Pflicht, hinauf in ihre gläserne Bastion der Bildung.

Wenn man heute durch die Scheiben auf das moderne Hörnum blickt, fällt es schwer, sich die einstige Einsamkeit vorzustellen, die diese Mauern umgab. In den stillen Jahren zwischen den Kriegen war hier fast nichts als Sand und Wind. Einundzwanzig Seelen zählte der Ort, sieben Häuser duckten sich in die Dünentäler. Das Hapag-Haus, geführt von der unvergessenen „Mutti Merten“, war damals der einzige wärmende Pol in einer rauen Welt, ein Ort der Geborgenheit, dessen Geist nur noch in vergilbten Chroniken lebt.

Die Kreide ist weggewischt, die Schulbänke sind Geschichte. Später zog die Schule in eine Holzbude, dann in ein richtiges Gebäude, bis 2011 die Türen für immer schlossen. Was bleibt, ist der Turm. Er steht noch immer als stummer Zeuge jener Tage, als Hörnum ein vergessenes Ende der Welt war. Wer heute die Führung bucht und den „Hörnumer Blick“ genießt, der besucht nicht nur eine Aussichtsplattform. Er betritt einen verlassenen Sakralraum der Kindheit, in dem das Echo des Abc-Schützen noch immer leise im Pfeifen des Windes widerhallt.

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